USA – Südstaaten 2
Erfahrung mit dem US-Gesundheitssystem
Wieder in Florida angekommen suchen wir in Sopchoppy, in Florida’s Panhandle, einen Campingplatz aus, damit ich mich auskurieren kann. Als es mir nach zwei Tagen immer noch nicht wesentlich besser geht und noch Ausschlag hinzu kommt, fahren wir in ein Krankenhaus. Der Arzt dort meint, es könnte Dengue sein und schickt mich nach Tallahassee in ein grösseres Krankenhaus. Dort bleibe ich insgesamt drei Tage.
Eine Nacht muss ich in der Notaufnahme selbst schlafen, da keine Zimmer mehr frei sind. In der Notaufnahme herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, vor allem in der Nacht. Es ist wirklich so, wie man es aus dem Fernsehen kennt. Es wird sogar eine Person in Polizeibegleitung gebracht. An Schlaf ist nicht zu denken. Erstens ist es zu laut und zweitens ist das Bett zu unbequem. Dadurch bekomme ich mit, wie es den verschiedenen Patienten neben meinem Raum geht. Es ist soviel los, dass nicht einmal alle Patienten in einem Notaufnahmeraum behandelt werden können. Diese müssen dann auf Stühlen in den Gängen ausharren. Zum Glück bekomme ich am zweiten Tag ein Einzelzimmer auf der Station.
Falls ihr euch jetzt fragt, ob ich die Krankenhausrechnung vorab selbst bezahlen musste und dies mich fast ruiniert hätte: Nein. Ich musste keinen Rappen selbst begleichen. Das System funktioniert wie bei uns: Ist man versichert, setzt sich das Krankenhaus mit der Versicherung in Verbindung. Ist man nicht versichert, schreibt das Krankenhaus den Betrag ab. Meiner Einschätzung nach wird zumindest in Tallahassee niemand sterbend am Eingang zurückgelassen, nur weil er keine Versicherung hat.
Sandstrände weisser als weiss
Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus bleiben wir noch eine Nacht in Tallahassee. Danach machen wir uns auf Richtung Westen und wollen eine Weile im Fort Pickens auf Santa Rosa Island, das zum Gulf Islands National Seashore, gehört, bleiben, damit ich mich ganz erholen kann. Wir fahren an hübschen Strandörtchen mit knallig farbigen Häusern vorbei. Im Krankenhaus wurde uns gesagt, dass es in dieser Gegend von Florida die schönsten und weissesten Sandstrände gebe. Dies ist nicht gelogen! Die Sanddünen, die sich zwischen den Ortschaften befinden, sind in der Tat schneeweiss. Vielleicht wird dieser Effekt noch durch den Nebel verstärkt.
Der Gulf Islands National Seashore gehört seit 1971 zum Nationalparknetz. Er umfasst die Inseln an der nördlichen Küste im Golf von Mexiko (oder an der südlichen Landküste, je nachdem, wie man es sieht) und erstreckt sich auf über gut 257km zwischen den Bundesstaaten Florida und Mississippi. Die Inseln vor Alabama gehören nicht zum Nationalpark. Rund 4/5 des National Seashore befindet sich unter Wasser. Dieser Teil ist die längste staatlich geschützte Meeresküste der USA. Sechs verschiedene Ökosysteme prägen den National Seashore und bieten Lebensraum für unzählige Land- und Wasserlebewesen, darunter über 400 Fisch- und 300 Vogelarten. In den Buchten können auch Meeresschildkröten beobachtet werden. Die Sanddünen sind schneeweiss und fein wie Puderzucker. Teilweise sind sie mit Strandgras (sea oats), durchsetzt, das hilft, die Barriereinseln zusammenzuhalten. Fort Pickens, das dem Campingplatz seinen Namen gibt, wurde zwischen 1829 und 1834 erbaut und gehörte zum Verteidigungssystem an der US Küste. Es ist das Grösste in der Gegend und wurde von Sklaven gebaut. Es diente dem Schutz der Pensacola Bay und der sich darin befindlichen Marinewerft. Fort Pickens selbst ist auch sehenswert. Das Heftchen, das man an der Anmeldung bekommt, enthält sehr gute Informationen über die Geschichte und einzelnen Räume des Forts.
Auf der anderen Buchtseite befindet sich die Naval Air Station Pensacola, die grösste Marinefliegerbasis der US Navy (den Meisten von uns ist Pensacola wahrscheinlich von der Fernsehserie „Pensacola – Flügel aus Stahl“ bekannt). Dort sind 16’000 Militär- und 7’400 Zivilangestellte beschäftigt. Sie ist eine wichtige Basis für Trainingsflüge. Einige davon können wir sehen, auch solche mit dem Helikopter. Ausserdem sind auf der Basis die Kunstflieger der Navy stationiert, die Blue Angels. Ebenfalls auf der Basis befindet sich das National Museum of Naval Aviation. Leider können wir das Museum nicht besichtigen, da dieses wegen eines tödlichen Zwischenfalls, bei dem ein ausländischer Soldat, der dort zur Ausbildung war, um sich geschossen hat, bis auf Weiteres für Besucher geschlossen bleibt.
Der Fort Pickens Campground ist wunderschön an der Pensacola Bay gelegen. Bei der Campingplatzanmeldung werden wir von einem Schweizer auf Englisch angehauen, wir sollen dann bei ihm vorbeikommen. Das ist Ehrensache und wir versprechen ihm, in zu besuchen. Er heisst Ernst und seine Frau Helen. Sie sind vor ungefähr 40 Jahren von der Schweiz nach Kanada ausgewandert und verbringen ihre Winter im wärmeren Süden. Sie sind mit einem Fifth Wheel (grosser Wohnauflieger) unterwegs. Es kommt, wie es kommen muss und wir treffen noch ein anderes Schweizer Paar. Sibylle und Hermann sind seit knapp zwei Jahren mit Mittelschnauzerhündin Shell in ihrem Fahrzeug, das sie liebevoll D-Hai getauft haben, unterwegs. Sechs Schweizer auf demselben Campinplatz, das muss gefeiert werden – und zwar vier Tage lang!
Ernst entpuppt sich als grossartiger Grillmeister und macht für uns alle ein superfeines BBQ mit Spare Ribs. Ganz schweizerisch steuern wir anderen Kartoffelgratin und Helen Hörnlisalat bei. Da es abends die Temperaturen nicht immer zulassen, dass wir am Feuer sitzen, dürfen wir bei Ernst und Helen im Fifth Wheel sein und werden nicht nur mit Guetsli aus der Heimat verwöhnt! Auch tagsüber wissen wir uns zu beschäftigen, sei es mit Erholen, am Strand spazieren oder Fabian eine neue Frisur verpassen. Er hat das Gefühl, dass seine Haarpracht viel zu lang ist! So darf ich mit der Schere ran während er gleichzeitig mit seinem Elektrorasierer loslegt. Das arme Ding gibt irgendwann den Geist auf und Hermann hilft mit seinem aus. Das Ergebnis kann sich sehen lassen!
Lebensfreude pur in New Orleans
Sibylle und Hermann haben vor, Richtung Westen bis vorerst nach Houston zu fahren während Ernst und Helen sich eher Richtung Osten weiterbewegen. Da liegt es nahe, dass wir ein Stück mit Sibylle und Hermann weiterreisen. Wir alle möchten unbedingt New Orleans sehen, oder „N’awlins“, wie die amerikanischen Touristen sagen würden. Das mit der Aussprache dieses Ortsnamens ist nämlich nicht so ganz einfach. Die Europäer kennen Orléans aus Frankreich, also sprechen wir es „New Orlins“ aus. Eher nicht so richtig… Wie gesagt, von amerikanischen Touristen hört man „N’awlins“. Ganz falscher. Die Einheimischen sagen ganz einfach „New Awlins“. Alles klar, oder?
Diese Stadt ist einfach toll und sie zu entdecken macht zu viert doppelt Spass! Im French Quarter herrscht eine lebendige Atmosphäre. Alles ist farbig, die Reklamen, Dekorationen der Bars oder die Häuser selbst und überall tönt Musik aus den verschiedensten Bars. Die Leute sind fröhlich und tanzen auf der Strasse. Beim Besuch einer Bar kann man nicht viel falsch machen, denn es ist für jeden Musikliebhaber etwas dabei. Wir lassen uns in den Strassen ganz einfach treiben und entdecken urchige Läden oder erleben die pure Lebensfreude, wenn ein spontanes Jazzkonzert auf der Strasse gegeben wird. Auch die Livebands in den Restaurants sind super. Möchte man eine solche hören, sollte man zum Nachtessen bleiben. Mittags gibt es vielfach keine Konzerte.
Kulinarisch sollte man sich auf keinen Fall Gumbo (Eintopf mit Meeresfrüchten) und Jambalaya (Reisgericht mit Poulet) entgehen lassen, beides Spezialitäten der kreolischen Küche. Die Beignets (Hefeteig Küchlein mit viel Puderzucker) haben mich persönlich nicht gerade überzeugt.
Auch architektonisch hat New Orleans etwas zu bieten. Die Balkone der farbigen Häuser im French Quarter sind mit wunderschönen schmiedeeisernen Geländern verziert. Habt ihr gewusst, dass in New Orleans einen Unterschied zwischen Balkon und Galerie gemacht wird? Wir auch nicht. Ein Balkon ist ein Balkon, so, wie wir ihn kennen. Eine Galerie ist ebenfalls ein Balkon mit dem Unterschied, dass diese Stützpfeiler aufweisen, die sich über die ganze Höhe des Gebäudes ziehen. Ebenfalls eine Eigenheit von New Orleans sind die sogenannten Shotgun Houses (frei übersetzt „Schrotflintenhaus“). Charakteristisch an diesen Häusern ist, dass sie relativ lang und rechteckig und meistens nicht mehr als 3.5 Meter breit sind. Sie haben keinen Gang. Darum sind die drei bis fünf Räume direkt miteinander verbunden. An den jeweiligen Stirnenden befindet sich je eine Haustür. Man sagt, dass wenn jemand an der einen Haustür eine Waffe abfeuert, die Kugel bei geöffneten Türen ungehindert auf der anderen Seite wieder hinausfliegt, ohne Schaden anzurichten. Daher der Name Shotgun House.
Ich persönlich finde Friedhöfe recht spannend anzuschauen, kann jedoch verstehen, dass dies nicht jedermanns Sache ist. Doch in New Orleans sollte man dies unbedingt tun. Wir haben den St. Louis Cemetery No. 3. besucht, einer der grösseren in New Orleans. Die Gräber sind nicht so klein wie auf den europäischen Friedhöfen sondern gleichen eher kleinen Häusern, komplett mit Zaun. Deshalb nennen die Einheimischen die Friedhöfe auch Städte der Toten. Der Grund für die grossen Gräber liegt darin, dass die Toten oberirdisch bestattet werden, da die Särge ansonsten wegen des hohen Grundwasserspiegels einfach davonschwimmen würden. Diese Methode hat sich bei den frühen Siedlern am Besten bewährt. Wer will nach einem starken Gewitter schon lauter herumschwimmende Särge im Ort? Daneben ist es durchaus üblich, mehrere Familienmitglieder in demselben Grab zu bestatten. Auf den Grabsteinen stehen zum Teil zehn Namen oder mehr. Wie die da drin alle Platz haben? Nun ja, in Louisiana herrscht in der Regel ein sehr heisses und feuchtes Klima, vor allem im Sommer. Die Gräber haben dabei eine Wirkung wie kleine Öfen. Den Rest könnt ihr euch denken…. Nach rund einem Jahr sind nur noch Knochen übrig, die in einen kleinen Spalt am Ende des Grabes geschoben werden, um für das nächste Familienmitglied Platz zu machen. Die Daten der Verstorbenen reichen zum Teil bis ins vorletzte Jahrhundert zurück.
Wir wären noch gerne länger in New Orleans geblieben, doch gibt es auf unserer Reise noch zu viel zu entdecken und wir vier ziehen weiter nach Westen.
Über den Natchez Trace Parkway nach Vicksburg
Der Weg führt uns dem Mississippi entlang, durch Baton Rouge bis nach Natchez. Wir haben uns den Weg am Fluss entlang landschaftlich etwas romantischer vorgestellt. Die Route ist gesäumt von petrochemischen Fabriken und den Fluss sieht man leider auch praktisch nie, da er von riesigen Deichen eingefasst ist. Und wenn man ihn sieht, dann kann man die riesigen Frachter beobachten, die die Fabriken bedienen Obwohl landschaftlich wenig reizvoll ist dies doch eine interessante Erfahrung, da in wohl keinem Reiseführer steht, wo die petrochemische Industrie zu Hause ist.
In Natchez besichtigen wir die wunderschönen Antebellumhäuser, für die der Ort berühmt ist. Natchez ist auch der Start-(oder Endpunkt) des Natchez Trace Parkway, einer alten Handels- und Reiseroute, die ungefähr über 714 km von Natchez nach Nashville führt. Die Route ist über 10’000 Jahre alt und wurde zunächst von den Natchez, Chickasaw und Choctaw Indianern genutzt und später auch von Händlern, Soldaten, Sklavenhändlern und Reisenden. Im frühen 18. Jahrhundert haben die sogenannten „Kaintucks“, Bootsmänner aus Kentucky, ihre Ware den Mississippi hinunter bis nach New Orleans geschifft, dort alles verkauft, inklusive ihrer Flosse, und sind über den Natchez Trace wieder nach Hause gewandert. Besonders gut kann man den alten Weg noch an jenen Stellen sehen, die recht tief abgesunken sind, da dort der Untergrund relativ weich ist. Es gibt auch sehr viele historische Stätten zu besichtigen, wie der Emerald Mound, einer der grössten indianischen Grabhügel in den USA oder Mount Locust, das letzte von über 50 Gasthäusern entlang der alten Route. Die Strasse führt nach wie vor durch viel Natur. Teilweise ist die Route von tief hängenden Ästen überhangen und es ist von Vorteil, ein nicht allzu hohes Reisemobil dabei zu haben.
Unterwegs übernachten wir auf dem Grand Gulf Military Park Campground in Port Gibson. Ein sehr schön gelegener Campingplatz nahe am Ufer des Mississippi. Wir konnten leider nicht bis zum Fluss, da dieser die Gegend überschwemmt hat. Dafür konnten wir einen schönen Sonnenuntergang vom Aussichtsturm geniessen.
In Vicksburg angekommen decken wir uns mit Informationen zum Vicksburg National Military Park ein. Es handelt sich dabei um ein befahrbares Areal, das die Frontlinie im Sezessionskrieg (Amerikanischer Bürgerkrieg) zwischen den Nord- und Südstaaten beim Kampf um Vicksburg auf eindrückliche Art und Weise erlebbar macht. Eindrücklich ist zu sehen, wie nah sich die Soldaten zum Teil gekommen sind. Markantes Detail am Rande: General Ulysses S. Grant (für die Nordstaaten) konnte Vicksburg nicht einnehmen, da die Stadt strategisch sehr gut gelegen ist. Einzig durch die knapp sechswöchige Belagerung und die Tatsache, dass die Südstaatensoldaten krank und schlecht ernährt waren, hat der Südstaatengeneral Pemberton kapituliert. Somit hatten die Unionisten ihr Ziel erreicht und die Sezessionsstaaten in der Mitte geteilt.
In Vicksburg verabschieden wir uns von Sibylle und Hermann. Sie fahren weiter nach Houston und wir möchten in Texas Bekannte besuchen und Austin und San Antonio besichtigen. Es war eine schöne Zeit mit Sibylle und Hermann und wir hoffen, sie auf unserer Reise bald wieder zu sehen.